Als ich 15 war, habe ich mir zu Weihnachten die Calkuttaer Ausgabe der Märchen aus tausendundeiner Nacht in der Übersetzung von Enno Littmann gewünscht. Ich lese bis heute in diesen sechs Büchern und liebe diese Art, verschachtelt zu erzählen, mit so viel Zeit zu erzählen, wie es die Araber können und wie es wohl nur im Morgenland möglich ist, immer noch ganz besonders. Immer hatte ich das Gefühl, zwar Einblick zu nehmen in eine ganz andere Kultur, in der aber immer doch auch der Böse am Ende verliert und der Tapfere Mutige gewinnt, in der Helden schlau sein dürfen und unerschrocken für das Gute kämpfen, in der geliebt, betrogen und verziehen wird.
Ein bisschen habe ich diese Kultur des Erzählens bei Rafik Schami wiedergefunden und mich natürlich schon lange auf sein neues Buch gefreut.
Genauer gesagt hat das Buch auch noch einen Untertitel: Es heißt "Sophia" oder "Der Anfang aller Geschichten". Und wieder begegnet einem hier eine Geschichte, die in vielen Zeiten und an vielen Orten gleichzeitig spielt und es dabei doch schafft, Böse und Gut auseinanderszuhalten und dem Leser den Spiegel vorzuhalten.
Weite Teile des Buches spielen sich in Damaskus, der großen und bunten Stadt in Syrien ab, die huete zum Teil in Schutt und Asche liegt. Auch der Anfang dieser heute so hochaktuellen Geschichte wird dabei erzählt, der Beginn des "arabischen Frühlings", ursprünglich tatsächlich der friedliche Wille, mehr Demokratie, weiger Willkür und mehr Sicherheit zu gewinnen. Die Protagonisten sind nicht immer nur gut, aber es eint sie der Glaube an die Liebe, die Gerechtigkeit und die Freiheit.
Schami verklärt natürlich, wie fast immer, den Orient und die Menschen die dort leben etwas.
Trotzdem sei das Buch vor allem jedem ans Herz gelegt, der Angst vor "den Flüchlingen" hat.
Denn auch, wenn nicht jeder Schurke nur Schurke, und nicht jeder Gute nur gut ist: Auch Menschen in Syrien wollen Frieden leben. Zusammen. Trotz verschiedener Religionen. Ich sage sehr bewusst Menschen, nicht "Moslems". Denn: 15% der Syrer sind Christen, und sie leben mit ihren muslimischen Landsleuten nun einmal Seite an Seite. Es soll sogar Liebespaare geben, bei denen einer Moslem ist der andere Christ. Und irgendwie haben die Leute dieses Zusammenleben, was für für viele Deutsche eine so große Herausforderung zu sein scheint, sehr lange geschafft - bis ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist, bei dem schon objektiv mittlerweile kaum mehr jemand versteht, wer eigentlich gegen wen und für was kämpft. Übrigens: auch Otto-Normal-Moslem findet das im Regelfall echt ziemlich bescheiden, und er zieht lieber in ein Land, in dem er wieder gemütlich sein Gemüse kaufen kann, ohne Angst vor einer Verhaftung zu haben und in dem er seine Kinder vielleicht sogar mal ohne Angst draußen spielen lassen kann.
Mit dem Syrer kommt also vielleicht gar nicht die Burka. Auch keine Überfremdung - denn der Syrer kennt das nebeneinander von Christen und Moslems tatsächlich möglicherweise besser als wir - er wird uns nicht per se bekehren wollen. Deshalb mal wieder eine Weisheit auf der Zunge zergehen lassen: Ein Wenig Güte von Mensch zu Mensch ist besser als alle Liebe zur Menschheit.
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