Man mag über den Hype streiten, der plötzlich um manche Bücher einsetzt, sobald sie endlich verfilmt werden - verfilmt wird mittlerweile ja so ziemlich alles, was irgendwie danach riechen könnte, ein Erfolg auf der Leinwand zu werden. Manchmal wird allerdings wirklich etwas hochgelobt, was sich tatsächlich ganz unerwartet als sehr lesenwert herausstellt. Ich habe mich im Übrigen auch nicht von einem allgemeinen Begeisterungssturm anstecken lassen, sondern habe die Biografie von Hildegard Knef ganz einfach geschenkt bekommen – den Film dagegen habe ich verpasst.
Im Gegensatz zu allem, was ich bisher über den Krieg las, hat mich Hildes Geschichte ganz besonders beeindruckt. Hilde ist mir nah, viel näher als andere Gestalten aus den für mich weit entfernten Kriegs- und Nachkriegsjahren. Vielleicht, weil sie gerade in dieser Zeit etwas erlebt hat, das mich selbst begeistert: Sie ist Schauspielerin geworden und hat Kriegsbühnenluft geschnuppert, mit der sie ein ganzes Leben lang zu kämpfen hatte. Dabei beschreibt Hilde ihr Leben wie in einer Seifenblase, immer alles ganz subjektiv und gerdade darum von so einnehmender Sprache, dass man das Gefühl bekommt, ganz bei dieser Hilde zu sein, die da ihre Geschichte erzählt, sodass man einfach weiter andächtig lauschen möchte, um nichts zu verpassen: Hilde bei ihrem Großvater im Schrebergarten, Hilde in der Zeichenschule, Hilde beim Vorsprechen. Und dann plötzlich: Hilde im Schützengraben mit E. v. D., Hilde in Berlin, im Krieg. Hilde dem Tod ganz nah und doch fest dazu entschlossen, zu überleben. Selten habe ich bisher erlaubt, dass mir die Grausamkeiten des Krieges so nahe gehen duften, selten habe ich mir den Krieg, den der einzelne erlebte, so wieder und wieder in Gedanken gedacht und die Bilder vor meinem inneren Auge passieren lassen wie nach den ersten 100 Seiten dieses Buches. Das kann man gar nicht einfach in einem Rutsch durchlesen, sondern das muss man häppchenweise erleben, das Gelesene verdauen und immer wieder neu begreifen, dass es die Wirklichkeit darstellt. Bei der folgenden Zeit, die Hildegard Knef in den USA verbringt, bleibt das in Deutschland Geschehene unvermeidlich im Hinterkopf. Sie ist wieder nah, denn der Erfolg will sich nicht einstellen und das Leben dümpelt gern vor sich hin. Ich dachte, Hilde hätte auch für uns die richtigen Worte gefunden: Für Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, ein gelähmtes Land und eine ungewisse Zukunft. Ich weiß aber auch, dass sie niemals aufgegeben hätte: Denn dem Leben, dem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul. Das nimmt man, und man macht das Beste damit.
Hilde hat ihr Leben in eine Trilogie verpackt. Zu „Der geschenkte Gaul“ gibt es zwei Fortsetzungen: „Das Urteil“ und „So nicht“.
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