Montag, 4. Februar 2013

Gehört: "Magma" von Selig

Vor vielen Jahren, das war noch in den 90ern, und es kommt mir jetzt gerade unendlich lange her vor, da hieß es mal: "Kann nicht schlafen / kann nicht essen / kann nicht trinken ohne sie / kriech dem Wahnsinn unters Kleid / und im Haus Nummer Sieben brennt ein Licht..." und Jan Plewka flehte mit verzerrten Lauten: "Verbring die Nacht mit mir im Fahrstuhlschacht"!

2013 hört sich das mit "Magma" irgendwie um einiges vernünftiger an, wenn es so gaz und gar verständlich heißt: "Kann nicht essen, kann nicht schlafen / vom Beeilen und nicht Warten / vom zu Viel und noch viel Mehr. / Wo bleibt die Zeit zum Verweilen / und zufrieden zu sein?"
Das neue Selig-Album ist seit ein paar Tagen da, und nach wochenendfüllenden Fortbildungsqualen fand ich, dass es ganz bestimmt Zeit sei, mir etwas Gutes zu tun. Ich zahle immer noch für Musik - der Weg führte also über einen Download. "Magma" ist damit das erste Selig-Album, das nicht in meinem Regal steht, sondern irgendwo im Datennirwana von MP3-Player und Rechner rumschwirrt. Heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit hatte ich dann endlich ein paar Minuten Zeit, mich zurückzulehnen und in Entspannung zu üben. 

Ob´s mir gut geht, fragt Jan mich diesmal im Jahr 2013. Und erzählt mir vom Lügen, Lieben und Arbeiten, nimmt mich mit ins Zimmer 433 (da ist der Kaufvertrag im BGB normiert, fällt mir ganz spontan ein...) und zum Meer. Fast denke ich schon, dass das auch eine ganz andere Band sein könnte, die mir da was erzählt, und dass da heute gar keinen Raum für mich ist. (Und den hatten Selig bisher eigentlich, wenn zuletzt mit "Und endlich unendlich" auch in zunehmend verschwindendem Maße, immer gelassen).

Selig 2013 ist tatsächlich Poprock und damit ganz kristallklar einzuordnen, was ich bei Selig in den 90ern immer sehr schwierig fand und mich deshalb beim Hören immer ganz und gar frei gefühlt habe, aus der Musik zu machen, was mir gefällt. Was damals so rauschartig mein Hirn schweben ließ, ist heute einem gefälligen Cocktail gewichen, von dem ich bestimmt keinen Kater bekommen kann. Heute lasse ich mir also Geschichten erzählen, und die kann letztlich jedermann ganz gut hören. Ich fühle mich ein bißchen einsam...

Als ich es aber nach ein paar Titeln eigentlich schon gar nicht mehr glaube, stellt man mir dann zum Glück doch noch "Schwester Schwermut" vor. Vor mir geht schon nach ein paar Takten die Sonne auf, und ich weiß: Darauf habe ich bis Februar gewartet - vielleicht nicht gerade seit den 90ern, aber ich hatte es doch auch erwartet. Ich bin ja soooo versöhnt. "Danke" und "Wenn ich an Dich denke" haben zwar klare Texte, aber eben auch tolle Musik. Etwas ganz neues bringt mir "Der Tag wird kommen" - über ein paar Takte komme ich erst gar nicht hinaus, aber dann ist es so schön anders, dass es schon wieder besticht, wenn man es zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort hört.

Und so fühle ich mich mit "Magma" gerade so schön an zu Hause erinnert. Sicher werde ich "Magma" oft hören, so wie heute früh, in den besonderen Situationen, in denen ich dringend und voller Sehnsucht nach Hause zu mir selbst will, auf dem Weg zur Arbeit und auf dem Weg zur Ruhe.

Ich hoffe, ich darf getrost nur aufs nächste Album warten, um nach Hause zu kommen -

SO GUT, DAß ICH GESEHN HAB
SO GUT, DAß ICH WEIß
SO GUT, DAß ICH GELACHT HAB
ÜBER DAS, WAS ÜBRIGBLEIBT
TRAG MICH WEITER WEIT ALS HIER
UND ICH WÜNSCHTE, AUCH DER REST
KÖNNTE MIR GEHÖR´N

KOMM, TANZ WEITER
TREIB MICH, VERZEIH DIE ZEIT
MACH DIE AUGEN AUF, UND GLAUB DARAN
STILL BEI MIR ZU SEIN

SO GUT....(Selig: Nach Hause / Album Hier 1995)

- und das wird mich hoffentlich wieder ins Gemüt treffen, so wie es für immer und selig sein sollte. Und bis hahin werde ich mich mit "Magma" zumindest dorthin träumen. 

Selig: Magma/1. Februar 2013
Label: Vertigo Berlin (Universal)

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