Wir schreiben das Jahr 2021, und etwa ein Jahr seit Ausbruch der weltweiten Pandemie gibt's auch endlich mal ein paar gute Lockdown-Nachrichten: Ein Haufen Künstler hat, anstatt sich auf Bühnen herumzutreiben, Studios angemietet und neue Musik produziert. Es wird also zumindest mit Kopfhörern ein lautes und extrem tanzbares Frühjahr geben.
Ich fange mal mit meiner ersten großen Liebe Selig an. Die haben im März ein Album mit erstaunlich unterschiedlichem Sound rausgebracht. Nach dem ersten Anhören habe ich mich erstmal gefragt, wer sich die Reihenfolge der Songs bloß ausgedacht hat. Es erwartet einen nämlich ein ziemlich verrücktes Potpourri aus klanglichem Neuland und typischen Seligsound - und zwar in stetigem Wechsel.
Egal, ich liebe es einfach, zuzuhören, wenn Christian Neander Gitarre spielt. Das kann man besonders machen mit dem funky-style "Spacetaxi", oder auch im Akustik-Intro zu einem groovigen "Myriaden" -Song, der dann auch noch mit schönen Riffs daherkommt und einfach Spaß machen will. Wie eine Fortsetzung von "Regenbogenleicht" kommt einem "Postkarte" vor - wer weiß, vielleicht mausert sich das zu einem neuen live-Rausschmeisser-Song. Die stets singfreudigen Seligfans werden den sicher schnell gelernt haben.
Herzschmerzig kommen "SMS K.O.", "Alles ist so" und "Du" daher - das könnte keiner außer Jan Plewka singen. Klänge dann doof. Jan dagegen hört man gerne zu. Erstaunlich direkt ist diesmal so mancher Text: Alles ist so ordinär - ich will nicht, dass die Welt so untergeht. Da gibt's nichts zu interpretieren oder überlegen - Wenn alles so bleibt wie es ist, dann haben wir verlorn.
Aber es gibt auch echte Pop-Songs auf "Myriaden". Zum Beispiel gleich mit "Süßer Vogel", wo es zimbelt, plingt und die Nacht am Ende schreit. Oder ein Sommer-seeliges "Paradies im Traumrausch" mit soooo schön heulender Gitarre. Etwas typischer für Selig, dennoch extrem eingängig: "So lang gewartet".
Lieblingssong nach dreimal hören: "Zeitlupenzeit". Aber das liegt wohl daran, dass das einerseits extrem tanzbar ist - und außerdem wohl am Lockdown:
Ganz typischer Selig Sound kommt übrigens mit Track Nummer 7 daher. Der heißt dann auch wundersamer Weise "Selig". Das ist irgendwie eine kleine Rückreise auf jedes Konzert das ich von dieser Band je besucht habe. Und das ist auch der Song, auf den ich mich live am meisten freue. Selig-Fans sind ja große Tänzer und wunderbare Mitsinger. Also schonmal Text üben und vielleicht ´n bißchen Wohnzimmer-Sport machen, bevor es im September - so das Virus, dessen Name nicht genannt werden soll, es erlaubt - dann hoffentlich abgeht im Nürnberger Hirsch.