Montag, 30. November 2009

Paradox

Paradox ist, wenn man im Dunklen auf der Autobahn bei Regen hinter einem LKW der Firma Schwarzmüller herfährt und "Here comes the Sun" von den Beatles mitsingt.

Donnerstag, 26. November 2009

Aus gegebenem Anlass gelesen: „Der Brenner und der liebe Gott“ von Wolf Haas

Wenn Du was liest, dann brauchst Du immer wen, der Dir auf den letzten zwanzig Seiten schon das nächste Buch unter die Nase hält. Damit Du Dich auf was freuen kannst. Weil gutes Buch zu Ende traurig und besser schon was neues in Aussicht. Bei mir ist das der Liebste, der immer was parat hat. Und jetzt pass auf: Diesmal musste ich sogar was in mein Buch dazwischenschieben. Weil nächste Woche ja Karten für Lesung vom Autor mit Autogrammstunde und unaufschiebbar und nicht auszudenken, wenn man das Buch da noch gar nicht kennt.
Ich also, fesch an den Brenner ran. Und was sag ich Dir? Das war gar nicht so übel. Mal abgesehen davon, dass der Haas Wolff ja alles so schreibt, wie es gerade geredet wird. Wirklich, der schreibt, als hätte er irgendwann beim Busfahren mal was in sein Diktiergerät gesprochen und die Haas-Sekretärin schreibt das dann genauso auf, wie das dem Haas im Bus zwischen zwei Haltestellen eingefallen ist.
Ich natürlich erst „ Das Wetter vor 15 Jahren“ gelesen. Kein Brenner-Krimi und auch echt keine große Erleuchtung. Wie der Haas da ständig sein Gespräch zwischen der Literaturbeilage und dem Autor wiedergibt, statt einfach die Geschichte zu erzählen. Und die war dann auch noch überhaupt nicht interessant. Da ist ein Brenner -Krimi schon was anderes, weil da gehts auch mal voran und es gibt auch Überraschungen.
Jedenfalls, wenn ich gewusst hätte, dass das mit dem Brenner ganz anders ist als mit dem komischen Wetter-Roman und der Literaturbeilage, hätte ich mich ja schon viel früher auf die Lesung nächste Woche gefreut. So erstmal: „Der Brenner und der liebe Gott“. Jetzt kann der Haas aber kommen. Und pass gut auf, denn da gibt es allemal noch was zu erzählen.

Mittwoch, 25. November 2009

Gelesen: "Der geschenkte Gaul" von Hildegard Knef

Man mag über den Hype streiten, der plötzlich um manche Bücher einsetzt, sobald sie endlich verfilmt werden - verfilmt wird mittlerweile ja so ziemlich alles, was irgendwie danach riechen könnte, ein Erfolg auf der Leinwand zu werden. Manchmal wird allerdings wirklich etwas hochgelobt, was sich tatsächlich ganz unerwartet als sehr lesenwert herausstellt. Ich habe mich im Übrigen auch nicht von einem allgemeinen Begeisterungssturm anstecken lassen, sondern habe die Biografie von Hildegard Knef ganz einfach geschenkt bekommen – den Film dagegen habe ich verpasst.
Im Gegensatz zu allem, was ich bisher über den Krieg las, hat mich Hildes Geschichte ganz besonders beeindruckt. Hilde ist mir nah, viel näher als andere Gestalten aus den für mich weit entfernten Kriegs- und Nachkriegsjahren. Vielleicht, weil sie gerade in dieser Zeit etwas erlebt hat, das mich selbst begeistert: Sie ist Schauspielerin geworden und hat Kriegsbühnenluft geschnuppert, mit der sie ein ganzes Leben lang zu kämpfen hatte. Dabei beschreibt Hilde ihr Leben wie in einer Seifenblase, immer alles ganz subjektiv und gerdade darum von so einnehmender Sprache, dass man das Gefühl bekommt, ganz bei dieser Hilde zu sein, die da ihre Geschichte erzählt, sodass man einfach weiter andächtig lauschen möchte, um nichts zu verpassen: Hilde bei ihrem Großvater im Schrebergarten, Hilde in der Zeichenschule, Hilde beim Vorsprechen. Und dann plötzlich: Hilde im Schützengraben mit E. v. D., Hilde in Berlin, im Krieg. Hilde dem Tod ganz nah und doch fest dazu entschlossen, zu überleben. Selten habe ich bisher erlaubt, dass mir die Grausamkeiten des Krieges so nahe gehen duften, selten habe ich mir den Krieg, den der einzelne erlebte, so wieder und wieder in Gedanken gedacht und die Bilder vor meinem inneren Auge passieren lassen wie nach den ersten 100 Seiten dieses Buches. Das kann man gar nicht einfach in einem Rutsch durchlesen, sondern das muss man häppchenweise erleben, das Gelesene verdauen und immer wieder neu begreifen, dass es die Wirklichkeit darstellt. Bei der folgenden Zeit, die Hildegard Knef in den USA verbringt, bleibt das in Deutschland Geschehene unvermeidlich im Hinterkopf. Sie ist wieder nah, denn der Erfolg will sich nicht einstellen und das Leben dümpelt gern vor sich hin. Ich dachte, Hilde hätte auch für uns die richtigen Worte gefunden: Für Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, ein gelähmtes Land und eine ungewisse Zukunft. Ich weiß aber auch, dass sie niemals aufgegeben hätte: Denn dem Leben, dem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul. Das nimmt man, und man macht das Beste damit.

Hilde hat ihr Leben in eine Trilogie verpackt. Zu „Der geschenkte Gaul“ gibt es zwei Fortsetzungen: „Das Urteil“ und „So nicht“.