Mittwoch, 30. Mai 2012

Gelesen: "Tschick" von Wolfgang Herrndorf

Jaja, ich weiß, über dieses Buch, die Wahnsinnsentdeckung aus der neuen Jugendliteratur, ist eh schon voll viel geschrieben worden, sodass ich mich daran jetzt nicht auch noch verlustieren müsste - jedenfalls nicht ganz unbedingt und zwingend. Aber ich sag jetzt mal, über den "Fänger im Roggen" haben auch schon ganz viele geschrieben, und ich hab das auch nach ungefähr hundert Jahren nochmal gemacht. Und wer sich traut, nach hundert Jahren was über den ollen Salinger zu schreiben, der darf auch die 101. Kritik über "Tschick" schreiben.
Der Held der Geschichte heißt Maik Klingenberg. Also echt: MAIK. Mit "ai". Grandios Ossi, würde ich mal sagen. Das ist aber eigentlich auch fast schon der einzige Bezug zur Moderne - was fast schon ein bißchen ironisch ist. Maik ist in Tatjana verliebt und geht in die achte Klasse am Gymnasium. Und obwohl es Google und Facebook und Handys und so was alles gibt, und das auch gar keiner abstreitet - was machen so Schüler in der achten oder neunten Klasse da? Sie schreiben sich Zettelchen im Unterricht und kampieren bei Parties am See. Das ist mal Hammer-Fortschritt, würde ich sagen - kommt einem doch echt ganz sympatisch bekannt vor. 

Außerdem machen die aber noch ganz andere Sachen, von denen ich dachte, das die, wenn die bei uns ja irgendwie schon immerhin fast unmöglich waren, dann ganz bestimmt heute gar nicht mehr gehen: Die lassen ihre blöden Handys nämlich einfach zu Hause und klauen einen Lada, mit dem die dann ganz gepflegt in den Urlaub fahren, weil Papa mit der Assistentin im Honeymoon ist und Mama in der Entzugsklinik abdöst.
Also, Maik macht das streng genommen nicht so wirklich in Eigeninitiative. Der ist nämlich schon so langweilig, dass er tatsächlich fast seine bekloppten Eltern regelrecht braucht, um sich wenigstens ein bißchen interessant zu machen. Aber das ändert sich irgendwie schlagartig, als der neue Schulkollege Tschick in den Ferien beschließt, jetzt ganz gepflegt mit dem guten Maik befreundet zu sein. Ja, und der bringt dann eben auch den abgeranzten Lada mit und das ganze bittersüße Unheil, dass dann folgt.

Maik und Tschick werden nicht nur beinahe von Herrn Fricke angeschossen, sondern müssen auch vor der Polizei fliehen und sich von einem Flusspferd mit Kringeldauerwelle retten lassen. Bis am Ende das mit den Schweinen passiert... Nun ja, und wie das alles so läuft, das sollte der geneigte Leser sich dann vielleicht doch selbst erarbeiten. 

Dass am Ende noch ein Richter hinter "seiner Theke" im "Poncho" auftaucht, ist ein ganz gewagtes Juristen-Schmankerl. Und ob 14-jährige heute wirklich so sind, das lassen wir doch vielleicht auch mal ganz dahingestellt. Kommt auch nicht so drauf an, sondern eher darauf, dass viele 14jährige bestimmt gern mal so sein würden. Und da liegt eben der Hase im Pfeffer. Oder der Tschick in den Schweinehälften - wie man will. Ist ja auch nicht jeder ein Holden Caulfield. Mancher eben mehr Kevin Hintermaier oder auch Maik Klingenberg. Ganz nebenbei: Der Salinger ist natürlich eine Lebenseinstellung. Tschick ist dagegen ein Roadmovie. Aber schon ein ziemlich cooles. 

Tschick
Wolfgang Herrndorf
Verlag rororo
ISBN-10: 3499256355

Keine Kommentare: