Sogar an meinen ersten Mensabesuch kann ich mich noch gut erinnern – er fand im Rahmen einer Einführungsveranstaltung für Erstis statt. Mein Tutor war ein ältlich wirkender, eher zurückhaltender Jurastudent älteren Semesters, dem die zwei Herdplatten und der kalkige Wasserkocher im 1-Zimmer-Studentenappartement durchaus ins Gesicht geschrieben stand. Ich hatte gleich die Assoziation des Alt-68ers, der anlässlich der kollektiven Mensaabspeisung auch beim Essen den Sozialstaat diskutieren muss. War zum Glück nicht so, der hat einfach seine Mahlzeit genossen: Für diesen Studenten war der Mensamittag eine Institution, ein Ruhepol und eine ganz natürliche Angelegenheit bei der man sich entspannen kann. Eine für mich damals noch absolut nicht nachvollziehbare Einstellung: Es gab zwar eine ganz ordentliche Pizza - aber ich fand es schrecklich, mit lauter mir völlig unbekannten Menschen zu essen. Essen hatte damals für mich auch noch irgendwie etwas furchtbar intimes, sodass ich es vor allem ungern in der Öffentlichkeit zelebrierte.
Dabei ist allein essen ja wirklich eine unglaublich traurige Angelegenheit: Pure Nahrungsaufnahme, kein Schwätzchen, keine Gerüchte über den Gerichten, kein freundliches „Guten Appetit“ von gegenüber. Beim Alleinessen möchte ich mich immer am liebsten an einer Gräte verschlucken und sterben...
Wie so vieles im Laufe des Studentenlebens hat sich daher auch meine Einstellung zur Mensa gründlich geändert: Statt allein den Hungertod zu sterben, ging ich eben auch mensen. (Lag vielleicht an meinen zwei Herdplatten und dem kalkigen Wasserkocher). Zuerst mal sporadisch, wenn es sich ergab (bei einem dieser Besuche lernte ich z. B., dass man besser kein „Hirschgulasch“ vor Strafrechtsklausuren isst), dann sogar recht regelmäßig mit Franzi - immer Burse. (Obwohl es dieselbe Küche ist, nur die Teller neuer, die Tabletts anders geformt und das Essen allein aus diesem Grund wesentlich teurer...) Mit Mia: Eher Mensa, manchmal Burse. Ganz nach Geschmack. Mensa nach dem Repetitorium: Mit einigen Damen aus dem Kurs, die regelmäßig nur kleine Salate aßen und dazu ein Schälchen Pommes oder Kartoffeln, und meistens nach der Hälfte des Essens an der unglaublichen Fülle verzweifelten und das meiste mit einem „Ich - kann - nicht - mehr - ich - bin - ja - sooo - satt“ (Wie bitte??? Wovon denn?!) liegen ließen. Mensa mit essgestörten Frauen ist deprimierend, weil man irgendwie was sagen will, aber weiß, dass man nicht helfen kann.
Ansonsten waren es seltene, aber echte Schocker, auch mal allein die Mensa aufzusuchen, etwa in der Studentenjob-Mittagspause. Das war sogar manchmal ziemlich schrecklich... einmal erspähte ich flüchtige Bekannte, bei denen ich mich dazu setzte – sozusagen in der Rolle des sozialen Outsiders, der keine schnöde Mensaverabredung auf die Reihe bekommt. Ganz schlimm. Danach habe ich mich entweder hinter einer Zeitung verschanzt oder mich allein überhaupt nicht mehr allein ins Studentenhaus getraut.
Viel entspannter sind meine jetzigen Mensabesuche: Entweder mit Manfred und seiner Gang. Oder Mensa mit Schlawinski und Karin. Ganz groß: Mensa mit Phil und Sarah, ohne die ich bestimmt schon referendariatsbedingt verhungert wäre – oder aber bereits hunderte von Kilos wiegen würde, weil ich mittags immer Schokolade und Kekse essen müsste. Mensa ist „Sex and the City“ light: Zwischen Salat, Matschegriesbrei, Reis mit Soße, Spaghetti und immer wieder mal „Panzerotti“, den grandiosen Mensapommes und einem Kaffee zum Nachtisch wird erzählt, wer wieder was getrieben hat, was der Umzug macht, welche neuen Klamotten gekauft wurden, wie man mit Übergepäck durch die Flugkontrolle kommt und der Sexappeal von Colin Firth (HOCH!) diskutiert.
Ich bin überascht, dass ich nie mit einem vollen Tablett die Treppe runtergefallen oder damit ausgerutscht bin (obwohl man solche Geschichten von anderen Leuten ja immer mal wieder hört). Das wäre mit Abstand das peinlichste und zugleich lustigste, was man sich in Sachen Mensa um eins leisten kann.
Mensa ist so eine Institution, die das Gemeinschaftsgefühl stärkt, für Zufriedenheit sorgt und einfach gut tut. Viele viele Leute, viel viel Essen und fast immer irgendwo ein bekanntes Gesicht. Dazu passend die vielen heiß diskutierten Themen, die einem manchmal sogar das ohnehin oft lauwarme Essen kalt werden ließen. Eben „Sex and the Mensa“. Daraus sollte mal einer ein Buch oder einen Film machen. – Nein, lieber keinen Film, da würde ja dauernd gegessen - was für eine schreckliche Vorstellung!
Die persönliche Hitliste meiner Mensabesuche sieht etwa folgendermaßen aus:
10- Mensa mit Pommes
9- Mensa und es gibt SchniPo
8- Mensa draußen und mit Pommes
7- Mensa draußen, Pommes und zum Nachtisch Eis (Nogger) aus dem Automaten
6- Burse mit Franzi (immer eine Augenweide, und angestarrt werden wir dann beide ;-)!)
5- Mensa mit Frank, ohne den essen ja eigentlich gar keinen Spaß macht
4- Burse mit Karin und Schlawinski – Karin bekommt mindestens einen Lachanfall.
3- Mensa mit Phil – Fechtgeschichten!
2- Mensa mit Phil und Sarah – ALLE Geschichten, inklusive dem Bericht über die geheimen Kosenamen der Freundinnen von gemeinsamen Bekannten
1 - Es gibt Vanillepudding... Egal wie, sogar allein großartig. Unangefochtene Spitze!